Sprachentwicklungsstörungen (SES) – Herausforderungen beim Spracherwerb
Sprachentwicklungsstörungen (SES)
Haben Sie bemerkt, dass Ihr Kind größere Schwierigkeiten beim Erlernen der Sprache hat als andere Kinder? Spricht es undeutlich, besitzt einen kleineren Wortschatz oder macht es mehr grammatische Fehler als seine Altersgenossen? Dies könnte darauf hinweisen, dass Ihr Kind an einer Sprachentwicklungsstörung (SES) leidet. Auf dieser Seite finden Sie wichtige Informationen über die Kennzeichen und Ursachen einer SES. Das Verständnis dieser Aspekte ist essenziell, um Ihrem Kind die notwendige Unterstützung bieten zu können.
Zielgruppe dieser Informationsseite
Diese Informationsseite ist speziell für Eltern und Betreuungspersonen von Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schulalter konzipiert.
Am Ende dieser Seite bieten wir Ihnen zudem praktische Tipps, wie Sie Ihr Kind im Alltag unterstützen können. Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Unsere Kontaktdaten finden Sie hier.
Was versteht man unter einer Sprachentwicklungsstörung?
Kinder erlernen Sprache in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Dennoch gibt es bestimmte sprachliche Fähigkeiten, die Kinder in einem bestimmten Alter typischerweise beherrschen sollten. Zum Beispiel sollte ein dreijähriges Kind in der Lage sein, alle ihm bekannten Alltagswörter zu verwenden. Ein vierjähriges Kind sollte fähig sein, Sätze wie „Ich möchte lieber mit den Autos spielen“ oder „Heute will ich keine Haare waschen“ zu bilden. Wenn ein Kind diese Fähigkeiten nicht zeigt, obwohl es regelmäßig sprachlichen Austausch erlebt, könnte eine Sprachentwicklungsstörung vorliegen. Dies bedeutet, dass die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes im Vergleich zu anderen Kindern seines Alters weniger entwickelt sind.
SES bei ansonsten normaler Entwicklung
Viele Kinder mit einer SES weisen ausschließlich in ihrer Sprachentwicklung Auffälligkeiten auf. In anderen Bereichen wie Spielen, Denken und Motorik entwickeln sich diese Kinder vergleichbar mit anderen Kindern. Man spricht daher auch von einer umschriebenen oder isolierten Sprachentwicklungsstörung.
SES im Kontext allgemeiner Entwicklungsverzögerungen
Einige Kinder mit einer SES zeigen neben den sprachlichen Auffälligkeiten auch Verzögerungen in anderen Entwicklungsgebieten wie beim Spielen, Denken und/oder in der Motorik. Solche Fälle treten häufig im Zusammenhang mit Grundkrankheiten wie genetischen Syndromen, neurologischen Erkrankungen oder einer Autismus-Spektrum-Störung auf. Eine angeborene Hörbeeinträchtigung kann ebenfalls dazu beitragen, dass das Erlernen der Sprache erschwert wird.
Verbreitung von Sprachentwicklungsstörungen
Unter 100 Kindern leiden etwa fünf bis acht an einer SES bei ansonsten normaler altersgerechter Entwicklung. Jungen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Einige dieser Kinder haben zusätzlich Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen, was als Sprachverständnisstörung bezeichnet wird.
Kennzeichen einer Sprachentwicklungsstörung
Kinder mit einer SES zeigen verschiedene sprachliche Auffälligkeiten, die sich je nach Alter des Kindes unterscheiden. Viele betroffene Kinder beginnen deutlich später zu sprechen als andere Kinder. Sie sprechen die ersten Wörter nicht mit 12 bis 14 Monaten, sondern erst im Alter von 18 bis 24 Monaten und lernen nur langsam neue Wörter hinzu.
Auffälligkeiten im Wortschatz und in der Grammatik
Im Kindergartenalter stehen ein geringer Wortschatz und/oder Probleme mit der Grammatik im Vordergrund. Im Schulalter haben die Kinder oft Strategien entwickelt, um mit ihren sprachlichen Schwierigkeiten umzugehen. Sie sprechen zum Beispiel in sehr kurzen, einfachen Sätzen. Komplexe sprachliche Anforderungen, wie längeres Erzählen, können sie jedoch nur schwer bewältigen. In der Übersicht finden Sie typische sprachliche Merkmale von Kindern mit einer SES.
Aussprache und Sprachverständnis
Die Aussprache kann bei Kindern mit einer SES undeutlich sein, und es kann vorkommen, dass Laute oder Silben ausgelassen werden. Im Bereich des Sprachverständnisses können Schwierigkeiten auftreten, die sich darin äußern, dass sich das Kind vor allem auf Mimik, Gestik und die konkrete Situation stützt, um Gesprochenes zu verstehen.
Ursachen von Sprachentwicklungsstörungen
Neben organischen Ursachen wie genetischen Syndromen, Hörbeeinträchtigungen oder neurologischen Erkrankungen können auch genetische Veranlagungen zu einer SES führen. Eine umfassende diagnostische Abklärung durch Fachpersonal ist entscheidend, um die geeignete Unterstützung für jedes Kind zu finden.
Unterstützung im Alltag und Behandlungsoptionen
Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung einer SES kann ungünstige Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Kindes verhindern. Zur Behandlung gehören logopädische Therapien und eine ausführliche Beratung der Eltern, damit diese ihr Kind zu Hause optimal fördern können. Ein bekanntes Beratungskonzept ist das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde.
Wie wird eine Sprachentwicklungsstörung festgestellt?
Die Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung beginnt typischerweise mit einer Überprüfung des Hörvermögens, da Hörstörungen den Spracherwerb erheblich beeinträchtigen können. Diese werden jedoch im Alltag oft übersehen, da sich das betroffene Kind an Mimik, Gestik und der Situation orientiert. Ein intaktes Hörvermögen ist eine wichtige Voraussetzung für das Erlernen der Sprache.
Deshalb sollte bei Verdacht auf Sprachdefizite immer eine Hörprüfung durchgeführt werden, idealerweise von einem Pädaudiologen. Zusätzlich wird die Gesamtentwicklung des Kindes beurteilt, um festzustellen, ob es in anderen Entwicklungsbereichen altersgemäß entwickelt ist. Dies geschieht oft in spezialisierten Einrichtungen wie einem Sozialpädiatrischen Zentrum. Bei Verdacht auf eine Grunderkrankung werden weiterführende Untersuchungen, wie eine Messung der Gehirnströme (Schlaf-EEG) oder eine genetische Analyse, durchgeführt.
Überprüfung der sprachlichen Fähigkeiten
Die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes werden mittels standardisierter Sprachentwicklungstests von Fachpersonal aus dem Bereich Logopädie oder Sprachtherapie bewertet. Diese Tests erfassen, wie gut das Kind Wörter und Sätze versteht, wenn diese ohne Unterstützung durch Mimik und Gestik sowie unabhängig von der Situation verwendet werden.
Ebenso wird die Sprachproduktion bewertet, also wie groß der aktive Wortschatz des Kindes ist, über welche grammatischen Fähigkeiten es verfügt und wie deutlich seine Aussprache ist. Das Verhalten des Kindes während der Kommunikation, wie die Nutzung von Blickkontakt oder der Einsatz von Mimik und Gestik zur Unterstützung der Verständigung, wird ebenfalls beobachtet. Diese umfassende Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten kann ab einem Alter von zwei Jahren sinnvoll durchgeführt werden.
Behandlung einer Sprachentwicklungsstörung
Die Behandlung einer SES erfolgt üblicherweise durch eine logopädische Therapie, auch Sprachtherapie genannt, die auf ärztliche Verordnung hin erfolgt und deren Kosten in der Regel von den Krankenkassen übernommen werden. Die Therapie findet meist ein bis zweimal pro Woche statt und wird an den Entwicklungsstand des Kindes sowie an seine individuellen Bedürfnisse angepasst.
Wenn das Kind auch in anderen Entwicklungsbereichen Unterstützung benötigt, beispielsweise bei den motorischen Fähigkeiten oder der Konzentration, kann zusätzlich eine ergotherapeutische oder heilpädagogische Maßnahme sinnvoll sein. Bei emotionalen oder Verhaltensauffälligkeiten ist eine begleitende psychotherapeutische Behandlung ratsam.
Beratung der Eltern bei Sprachentwicklungsstörungen
Eltern spielen eine zentrale Rolle im Spracherwerbsprozess ihres Kindes und können dessen sprachliche Entwicklung wesentlich fördern. Die Beratung zielt darauf ab, Eltern zu zeigen, wie sie durch bewusst sprachförderliche Interaktionen im Alltag, wie beim Essen, Anziehen oder beim Betrachten von Büchern, die sprachliche Entwicklung ihres Kindes unterstützen können. Ein effektives Beratungsprogramm für Eltern ist das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. Informationen zu diesem Programm und zu zertifizierten Trainerinnen und Trainern in Ihrer Nähe finden Sie unter www.heidelberger-elterntraining.eu.
Unterstützung im Alltag – Häufige Fragen von Eltern
Eltern haben oft viele Fragen darüber, wie sie ihr Kind im täglichen Leben am besten unterstützen können. Dieser Abschnitt bietet Antworten auf häufig gestellte Fragen und gibt praktische Tipps, die sofort umgesetzt werden können, um die sprachliche Entwicklung zu fördern. Ob es um das Vorlesen, das Sprechen während gemeinsamer Aktivitäten oder um den Umgang mit sprachlichen Herausforderungen geht, hier finden Sie hilfreiche Ratschläge und Anregungen, um Ihrem Kind zu helfen, seine sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern.
Wie Sie mit Ihrem Kind sprechen sollten:
Es ist hilfreich, direkten Augenkontakt zu Ihrem Kind zu halten, wenn Sie sprechen. Dies unterstützt Ihr Kind dabei, gesprochene Wörter besser zu verstehen und zu beobachten, wie Sie die Wörter formen. Sprechen Sie ruhig und klar und machen Sie zwischen den Sätzen Pausen, damit Ihr Kind die Zeit hat, die Wörter aufzunehmen und zu verarbeiten. Heben Sie neue Wörter und wichtige grammatische Strukturen hervor, zum Beispiel: „Das sind viele Autos.“ Dies erleichtert es Ihrem Kind, diese Wörter und Strukturen klarer zu erkennen und zu lernen.
Gesprächsthemen mit Ihrem Kind:
Interessieren Sie sich für die Erlebnisse und Gedanken Ihres Kindes. Hören Sie aufmerksam zu, was es erzählt, und lassen Sie es ausreden. Gehen Sie auf das Gesagte ein, wiederholen Sie, was Sie verstanden haben, und fragen Sie nach, um das Thema zu vertiefen. Sprechen Sie über Dinge, die Ihr Kind interessieren, denn das fördert das Lernen neuer Wörter. Beschreiben Sie Ihre eigenen Handlungen oder die Ihres Kindes und beziehen Sie dabei die Umgebung mit ein. Wenn Ihr Kind sieht und gleichzeitig hört, was es tut, versteht es Begriffe und Zusammenhänge besser. Beispiel: „Jetzt ziehst du die Gummistiefel an, weil es regnet. Zuerst kommt der linke Fuß, dann der rechte Fuß.“
Sollten Sie Ihr Kind korrigieren?
Es ist wichtiger, dass Ihr Kind Freude am Sprechen entwickelt, als dass es jedes Wort perfekt ausspricht. Vermeiden Sie direkte Kritik und wiederholen Sie stattdessen die Äußerung Ihres Kindes in der korrekten Form, um ein gutes Sprachvorbild zu sein. Beispiel: Ihr Kind sagt: „Da tatze is.“ Sie antworten: „Genau, da draußen ist die Katze.“ Auf diese Weise korrigieren Sie die Aussage, ohne direkt auf den Fehler hinzuweisen.
Soll Ihr Kind Wörter nachsprechen?
Es ist ratsam, das Nachsprechen zu vermeiden, da es Ihr Kind unter Druck setzen kann und oft zu einer Ablehnung führt. Das Auffordern zum Nachsprechen kann Ihrem Kind auch ungewollt seine Fehler bewusst machen und dazu führen, dass es sich vom Sprechen zurückzieht.
Fördert das Anschauen von Büchern und Vorlesen die Sprachentwicklung?
Das gemeinsame Anschauen von Büchern und Vorlesen ist sehr förderlich für die sprachliche Entwicklung Ihres Kindes. Nehmen Sie sich täglich Zeit, in Ruhe ein Buch anzuschauen, das Ihr Kind selbst auswählt. Besprechen Sie die Bilder und Geschichten, und erklären Sie unbekannte Wörter, ohne die gesamte Geschichte lesen zu müssen, wenn dies zu anspruchsvoll erscheint.
Sollte über die Sprachentwicklungsstörung gesprochen werden?
Es ist wichtig, offen mit den sprachlichen Herausforderungen Ihres Kindes umzugehen. Behandeln Sie das Thema so selbstverständlich wie jeden anderen Lernprozess. Dies ermöglicht es auch anderen, Ihr Kind in seiner sprachlichen Entwicklung zu unterstützen und fördert ein unterstützendes Umfeld.
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